Es ist Sommer. Schreibpause. Melde mich ab. Bin im Lesecamp.
Die Hälfte seiner Zeit sollte ein Autor schreiben, die andere Hälfte mit Lektüre verbringen, so der Rat von erfolgreichen Literaten. Aber jetzt sind Ferien, was bedeutet, es gibt keine zwei Hälften mehr, sondern nur Lesezeit. Sobald dieser Blogtext geschrieben sein wird, verabschiede ich mich ins Sommercamp. Okay, genau genommen lege ich zwar eine Auszeit ein, werde mich in diesem Jahr allerdings nicht sehr weit von meinem Zuhause entfernen. Doch meine nächsten Ferien sind schon in Planung. Wenn ich also tatsächlich in mein Sommer-Lesecamp aufbreche, das heißt, nicht nur auf der Terrasse vor mich hin schmökere, stecke ich ein Buch (nur eins!) in die Tasche, steige in Frankfurt in den Flieger, nach der Ankunft miete ich mir einen Wagen und fahre los.
Es gehört zur Idee dieses besonderen Urlaubs, mich erst vor Ort für den Lesestoff zu entscheiden. Den ersten und vorerst wichtigsten Stopp lege ich deshalb an einem Buchladen ein. In aller Ruhe schlendere ich an den Regalreihen und Büchertischen vorbei, treffe meine Auswahl für meine Zeit im Ein-Personen-Camp. Mit einem Stapel Bücher verlasse ich das Geschäft. Versorgt mit genügend Futter für zwei Wochen freie Zeit steige ich in den Wagen und mache mich auf den Weg in Richtung Küste.
Kein Notebook im Gepäck, lediglich ein kleines Notizbuch und zwei Stifte, das Schreiben hat Pause. Nur die Bücher und ich treffen im Camp ein. Sich auf eine einsame Insel zurückzuziehen um völlig ungestört zu schreiben kann sinnvoll sein, wenn man ein Buch beenden möchte, sich dafür aus der gewohnten Umgebung und dem Alltag ausklinken will. Als Ort meines Lesecamps ist sie aber ungeeignet. Der sollte ruhig, aber nicht abgeschieden sein und mir die Möglichkeit bieten mich nach ausgiebigen Schmökerstunden zurückzubeamen in die Realität. Oder, einfach ausgedrückt: Ich möchte Menschen treffen können, lecker essen und ein Gläschen auf die Ferien trinken.
Schreibcamps finden vorzugsweise in Universitäten statt oder in ländlicher Gegend, in kleinen Hütten am Waldrand beispielsweise oder auf einer Finca in den Bergen. Das Sommer-Lesecamp ist meine ganz private Erfindung. Ich bin die einzige Teilnehmerin, folglich reise ich an einen Ort, den ich besonders mag: Ans Meer, am liebsten an den Atlantik. Berge begrenzen meinen Horizont, der Wald bietet zu wenig Licht. Am Meer lese ich auf einer Decke im Sand, etwas komfortabler in einem Strandkorb, an einem Tisch in der Strandbar, auf einer Bank an der Promenade… Den Platz wähle ich nach Lust und Laune, aber auch danach, ob ich der Lektüre noch folgen kann, wenn ich von Stimmen um mich herum abgelenkt werde. Will ich ungestört sein, wandere ich weiter zu einem stilleren Fleckchen oder ziehe mich in die Stille des Hotelzimmers zurück.
An einem Regentag mit einem fesselnden Buch bequem auf dem Bett lümmeln, das sind Ferien! Da ich meine neuen Bücher überall im Zimmer verteile, macht es Spaß bei miesem Wetter im Hotel zu bleiben und erst abends nach draußen zu gehen. Schließlich habe ich mich für ein Lesecamp entschieden, der Wanderurlaub ist ein anderes Mal an der Reihe.
Bücher sind Lesestoff. Bücher sind Dekoration. Sie vermitteln mir das Gefühl, in meinem Urlaubszuhause angekommen zu sein. Sie nehmen dem Hotelzimmer die unpersönliche Atmosphäre. Welches Buch lese ich zuerst? Entscheide ich spontan oder stelle eine Reihenfolge auf? Teile ich das „Futter“ für den Campurlaub in Genres auf, lese ich sowieso nur Krimis oder alle Sachbücher, für die ich sonst kaum Zeit habe?
Ein kühles, funktionales Ambiente ist okay im Businesszimmer. Zu den Bedingungen für mein Sommer-Lesecamp gehört jedoch ein gemütliches Zimmer. Die Einrichtung darf etwas plüschig sein. Wie in einem kleinen, privat geführten Bed & Breakfast in einem Küstenstädtchen. Wenn mich eine Geschichte fesselt, will ich mich auch an Sonnentagen verkriechen können. Das Meer und der Strand vorm Fenster genügen, um mich in Urlaubsstimmung zu versetzen.
Am Abend ist Lesepause. Dann ist Urlaubsprogramm angesagt. Ein ausgiebiges Essen, den Tag Revue passieren lassen, im Hotel oder Restaurant mit Leuten in Kontakt kommen. Vielleicht gibt es irgendwo Livemusik? Oder eine Autorenlesung? Ein Barbecue am Strand? Was hat das Städtchen zu bieten?
Was ist romantischer, als mit einem Drink in der Hand den Sonnenuntergang zu beobachten? Zu zweit ist das natürlich schöner. In meinem Sommercamp genieße ich aber allein diese transzendentale Stimmung. Mein abendlicher Begleiter ist kein Buch, sondern das dünne Notizheft, das ich als einziges Relikt aus meinem Autorenberuf mit auf die Reise nahm. Ob die an diesen Abenden niedergeschriebenen Notizen, die Ideen und Stichworte für Geschichten ihren Charme verloren haben, sobald der Flieger wieder in der Heimat gelandet ist und ich im (Schreib-)Alltag angekommen sein werde, bleibt abzuwarten.
In diesem Jahr lese ich also im heimischen Liegestuhl. Ich schreibe nicht. Nach der passenden Destination am Atlantik werde ich aber schon mal im Internet schauen, als Appetithappen für die nächsten Ferien.
Meine aktuelle Schreibstimmung: Ferien. Bücher. Lesen.
Der Lippenstift: „Dreamer“ von Maybelline
Last modified: 17. August 2017