Ganz gleich, wohin man geht, man nimmt sich immer selbst mit, so heißt es.
Diese Aussage stimmt, ich habe es am Wochenende erlebt. Der Mensch, oder, um exakt zu sein, ich passe mich offenbar nicht automatisch an meine neue Umgebung an. In Kreuzberg fand wie in jedem Jahr der Karneval der Kulturen statt, ein vier Tage nahezu rund um die Uhr dauerndes multikulturelles, buntes, fröhliches Fest samt Umzug. Berliner und Berlinbesucher lieben den KDK. Das wollte ich auch, als ich am Sonntag bei optimalem Frühlingswetter mit meinem Partner in die U1 stieg. Die Wagen waren rappelvoll mit überwiegend jungen bis ganz jungen Leuten, die Stimmung locker, die Vorfreude auf das Happening groß. Rotweinflaschen machten die Runde. Ich fühlte mich gut, wollte an der Heilig Kreuz Kirche afrikanische Bands hören. Soweit der Plan.
Doch es kam – ich hätte es wissen müssen – anders. Am Halleschen Tor kaum aus der U-Bahn gestiegen, überforderte mich die Menschenmenge. Tapfer stapfte ich hinter meinem Partner die Treppen runter und raus aus dem Bahnhof. Wir kamen kaum durch, schrittchenweise schoben wir uns an geparkten Fahrrädern, an Menschen und Kinderwagen vorbei. Niemand war hektisch oder gar unfreundlich, alle schienen relaxt, genossen die Sonne und die Festatmosphäre. Die Leute strebten zu den Rasenflächen und Budenstädten; die Kirche war bereits in Sichtweite. Was ich ungern zugebe: Ich stolperte über mich selbst. Nein, ich fiel nicht in die Masse, aber ich strauchelte an meiner Abneigung gegen Menschenaufläufe jeder Art. Ich gehe weder zu Konzerten in Arenen, mag keine Volksfeste, Bierzeltatmosphäre oder Umzüge. Eishockeyspiele verfolge ich am Fernseher statt im Stadion, man wird mich auch niemals in der ersten (oder irgendeiner anderen) Reihe bei Kundgebungen finden, so nicht vorne der Redner steht und die Zuhörer brav auf ihren Stühlen sitzen. Wo viele Menschen zusammentreffen, bin ich nicht zu finden. Normalerweise. Bis auf letzten Sonntag. Da wollte ich meiner neuen Heimat Berlin zeigen, dass ich dazugehöre. Ich hatte vor, mich ins Getümmel stürzen, selbst wenn außer mir und meinem Partner die restlichen vier Millionen Einwohner auch dort sein würden.
Um es kurz zu machen: Es hat nicht funktioniert. Ich habe mich nach Berlin selbst mitgenommen. Nach einer seeeehr kurzen Runde entlang der nächstgelegenen Festwiese nahmen wir die U-Bahn zurück, allerdings mit Umsteigen in Schöneberg, wo wir zumindest die bemalten Häuser bewundern konnten. Der Kurztrip war nicht umsonst, das ist er in Berlin eigentlich nie. Man sieht immer wieder Neues oder Unerwartetes. Am Ende tranken wir Kaffee in Charlottenburg, wo der Sonntagnachmittag eher in ruhiger Feiertagsstille dahindümpelt. Statt laute Feststimmung verschlafene Vorstadtidylle. Bitte nicht zu laut aufstöhnen oder schnarchen beim Lesen dieses Bekenntnisses!
Meine Erkenntnis aus diesem Sonntagnachmittag ist banal: Mein Vorhaben hat nicht geklappt, so what? Der KDK ist sicher großartig, aber halt nicht für mich. Wer sagt eigentlich, dass man alles mögen muss, nur weil es Tausende tun? Meine trotzigen Gedanken nehme ich offensichtlich auch überall mit hin.
Last modified: 23. Mai 2018