Botox killt Karrieren. Danach bleibt nur noch der bedauernde Blick zurück.
Seit ich wieder in Berlin lebe, bin ich zur Kinogängerin geworden. Ich habe eben gezählt: Sieben Kinos erreiche ich in fünf Minuten zu Fuß, vom Spartenkino mit gerade mal sechs Sitzreihen über eine Filmlounge mit Begrüßungscocktail, extrabreiten Ledersesseln samt Fußschemel bis zum Berlinalekino, dem legendären Zoopalast.
Vor zwei Wochen sah ich den Film „Der verlorene Sohn“, der mich wegen Lucas Hedges, dem aufsteigenden Stern Hollywoods, interessierte. Es war auch meine erste Begegnung seit langem mit Nicole Kidman, die Hedges Mutter spielte. Von ihren wiederholten, in der Yellow Press genüsslich ausgeschlachteten Botoxexzessen der vergangenen Jahre war nichts zu erkennen. Sieht so aus, als sei Kidman zurück, mit knapp über fünfzig gerade rechtzeitig, um in Mutterrollen zu schlüpfen. Letzte Woche startete dann noch „Destroyer“, in dem sie erneut „Mut zur Hässlichkeit“ zeige, so die durchwegs positive Filmkritik.
Nicole Kidman war zwar nie wirklich weg vom Filmbusiness, und doch bestand die Gefahr, dass sich irgendwann die beachtlichen Mengen Botox in ihrem Gewebe nicht mehr abbauen könnten. Zeitweise ließen Fotos den Schluss zu, sie habe ihre Mimik vollständig eingebüßt. Was vermutlich das Aus im Schauspielberuf bedeutet hätte. Ob sie die Injektionen inzwischen vorsichtiger dosieren lässt oder ihrem Körper schlicht mehr Gifte zumuten kann als andere Menschen, sei dahingestellt. Fakt ist, Nicole ist nach wie vor sehr gut im Geschäft, sie hat den Sprung in die nächste Rollenetage geschafft, in der sie die Mutter oder eine in die Jahre gekommene Polizistin im Kamikazemodus mimt.
Als ehemalige Beautyjournalistin kenne ich die Wirkung des Nervengifts Botox, auch aus eigener Erfahrung. Wie erfrischt man mit etwas Hyaluronsäure in den Wangen aussehen kann, habe ich ebenfalls im Spiegel gesehen. Umso weniger will ich hier die besserwisserische Fachjournalistin geben. Doch es gibt Momente, da kommen mir fast die Tränen, wenn ich in älteren Filmen das Gesicht von Schauspielerinnen sehe, die von der Bildfläche verschwunden sind, weil kein Regisseur ein Gesicht mit komplett erstarrter Mimik, mit lächerlich prall aufgepumpten Apfelbäckchen oder bis zur Unkenntlichkeit „verliftet“ besetzen will. Mit Komödien wie „Harry und Sally“ oder „Schlaflos in Seattle“ aus den 80ern und 90ern baute Meg Ryan ihren Marktwert auf, Renée Zellweger liebten wir in den beginnenden 2000ern in „Bridget Jones“. Verständlicherweise wollten beide Stars zu diesem Image nicht für alle Zeiten stehen. Zellweger verlor die Lust, für immer das sympathische Naivchen zu geben, Ryan hatte genug davon, sich mit Lockenköpfchen und Bettsöckchen tragend auf der Leinwand zu sehen. Aber weshalb glaubten sie, der Sprung ins Erwachsenenfach gelänge, sobald ein Schönheitsmediziner mit Nadel und Skalpell nachgeholfen habe?
Die inzwischen fast siebzigjährige Meryl Streep ist cleverer: Niemand weiß genau, ob und wann sie „was machen lässt“. Sie scheint das Kunststück zu beherrschen, schrittweise ins Alter hineinzuwachsen. Sie lässt Falten erkennen, setzt jedoch gleichzeitig auf einen frischen Teint mit dezenten Apfelbäckchen, die auf ein Hyaluronsäuredepot und der exakt platzierten Menge Blusher hindeuten. Sollte ich demnächst einen älteren Film mit Meryl Streep anschauen, werden mir jedenfalls keine Tränen des Bedauerns in die Augen steigen. Und Nicole Kidman bleibt hoffentlich bei ihrer relativen Abstinenz in Sachen Gift und Messer gegen das Altern. Für Meg Ryan und Renée Zellweger bleiben vermutlich nur noch Zombierollen übrig. Bei denen hätte der Maskenbildner wenigstens kaum Arbeit mit der Umsetzung.
Last modified: 18. März 2019