Das fühlt sich fremd an: Ich muss wieder den Koffer packen.
Noch steht der rote Lackkoffer im Abstellraum neben seinen Artgenossen, dem kleinen schwarzen Weekender, dem mittelgroßen Grauen aus leichtem Nylon für mehrtägige Businessreisen und der XXL-Ausgabe in Türkis für lange Ferienwochen. Während die anderen noch für unbestimmte Zeit auf ihren Einsatz warten müssen, werden der rote Koffer und ich in nicht allzu ferner Zukunft gemeinsam verreisen.
In diesem Jahr werde ich zum ersten Mal wieder meine Komfortzone verlassen, mich aus der Kuschelecke nach draußen wagen. Genau genommen liegt das Ziel ziemlich weit draußen, Tausende Meilen entfernt auf einem anderen Kontinent, erreichbar erst nach mehreren Zwischenstopps. Allerdings fahre ich weder in den Urlaub noch bin ich in mein ehemaliges Business zurückgekehrt. Nach langem Zögern habe ich mich zu einem Autorencamp angemeldet. Um nicht in letzter Minute doch noch zu kneifen, überwies ich umgehend die Teilnahmegebühr. Mit der Seminarleiterin stehe ich schon lange in Kontakt; der Entschluss zur Teilnahme war überfällig.
Bisher verdrängte ich alle Gedanken an die Planung dieses fast dreißigstündigen Trips. Was sich als Fehler erweist, denn inzwischen beschleicht mich die Angst, überfordert zu sein. Ich frage mich, ob die Fähigkeit zu reisen abhandenkommen kann? Ein alberner Gedanke, ich weiß. Ich bin einfach aus der Übung, beobachte keine Flugpreise mehr, musste lange kein Visum beantragen, bin nicht einmal sicher, ob mein in den Tiefen des Schrankes verstauter Reisepass überhaupt noch gültig ist.
Mein bewährtes Rezept wird mir hoffentlich helfen, die Angst zu überwinden: Ich schreibe eine Liste und arbeite sie dann Punkt für Punkt ab. „Wenn wir Ordnung in ein großes Problem bringen, tut das unserem Organismus gut“, sagt die Psychologin Dr. Bärbel Wardetzki. „Alles, was ein Problem klein hackt, beruhigt uns. Wenn wir es also zu Papier bringen, ist es schon mal raus, ein Stück weit von uns distanziert und wir können es von Weitem, quasi neutral betrachten.“
Gestern raffte ich mich endlich zu einem ersten winzigen Schritt auf. Ich kaufte einen Reiseführer, um die Gegend rund um den Veranstaltungsort kennenzulernen. Vielleicht finde ich darin nützliche Hinweise für meine Liste. Ach ja, die Liste zu erstellen ist der nächste kleine Schritt zum großen Ziel, meiner ersten Reise nach langer Auszeit.
Last modified: 31. März 2019