Manchmal muss die Stadt draußen bleiben.
Ich bin nicht religiös.
Aber ich hoffe in grenzenloser Naivität, die Menschheit wird es eines fernen Tages schaffen, den Glauben als das anzuerkennen, was er tatsächlich ist: Reine Privatsache und kein Grund zu Terror und Krieg oder ein Vorwand, andersgläubigen Menschen ihr Territorium streitig zu machen, sie zu diffamieren, bedrohen, vertreiben oder töten.
Doch ich schweife ab. Was ich eigentlich sagen will: Auch wenn ich nicht religiös bin, suche ich bisweilen Kirchen auf. Wobei Moscheen oder Synagogen denselben Zweck erfüllen würden. Ich ziehe mich in Kirchen zurück, um auszuruhen und um nichts weiter tun zu können, als mich hinzusetzen, zu schweigen, das Mobiltelefon im Lautlosmodus in der Tasche zu verstauen und nicht auf möglicherweise vorhandenen Netzempfang zu achten, um vielleicht eben schnell nach Mails zu sehen. Stattdessen suche ich für einige Minuten, manchmal für eine halbe Stunde die Möglichkeit zur absoluten Untätigkeit. Es geht darum, der Hektik einer Stadt zu entfliehen, wie etwa in New York, wo ich auf einer Bank in der St. Patrick’s Cathedral meine Batterien auflade, bevor ich mich erneut von der City vereinnahmen lasse.
Ich bin nur mäßig musikalisch.
Um meine Mitmenschen nicht zu quälen, singe oder pfeife ich nur hinter verschlossenen Türen. Aber ich höre gerne Musik, vorwiegend Jazz, Swing und leichte Klassik. Vor ein paar Monaten fand ich einen Platz in Berlin, an dem ich mich für eine kurze Phase der Stadt entziehen kann. Die „Espresso-Konzerte“ des Konzerthauses am Gendarmenmarkt finden am Mittag zur Pausenzeit statt und dauern etwa vierzig Minuten. Es ist wunderbar entspannend, der Musik der jungen Akademisten zu folgen, den Alltag zu vergessen und den Kopf zu leeren. Ein perfekter Ort, um sich danach wieder der lauten Hauptstadt zu stellen.
Natürlich sind auch Bibliotheken Ruheorte, ebenso wie versteckt gelegene kleine Parkanlagen oder Cafés abseits der Einkaufsmeilen. Für einen neugierigen Menschen wie mich sind sie jedoch ungeeignet, weil ich es einfach nicht lassen kann, zu beobachten und wenn möglich Gesprächen zu lauschen. Und letztlich bleibt mir immer noch meine Yogamatte, wenn ich das Bedürfnis nach Ruhe verspüre. Allerdings will ich an meinen Ruheorten weder nachdenken noch mich bewegen. Ich sehe das als meine individuelle Methode der Meditation, da ich nur mäßig bis überhaupt nicht begabt bin, auf die klassische Weise zu meditieren.
Last modified: 26. Mai 2019