Allmählich ist meine Geduld zu Ende. Ich werde meine Mitarbeiterinnen abmahnen.
Klar, ich hatte es geahnt. Trotzdem verdrängte ich die Zweifel und unterzeichnete den Beschäftigungsvertrag mit Chrissie, Bella und Pepina. Sogar auf die ursprünglich geplante Probezeit hatte ich verzichtet. Als die Sperlinge im vergangnen Jahr völlig unerwartet vor dem Fenster auftauchten, hätte ich meinem Bauchgefühl folgen und ihnen nicht die Mitarbeit bei HKW anbieten sollen. Wie sich herausstellt, wollen sich diese launenhaften, eigensinnigen und exzentrischen Charaktere partout nicht anpassen. Sie denken nicht daran, sich an meine Vorgaben zu halten, wie ich mir ihre Beiträge für Mein blauer Lippenstift vorstelle.
Nach fast zwölf Monaten sieht die Leistungsbilanz der drei Vogelweibchen denkbar mager aus. Bella legt sich ständig mit allen möglichen Leuten an. Pepina kann den Schnabel kaum halten und entwickelte sich inzwischen zur stadtbekannten Klatschtante. Und Chrissie lungert ständig vor angesagten Restaurants herum, wie ihre inzwischen deutlich fülligere Figur beweist. Ihre Aufgabe ist es, durch den Kiez und die Stadt zu streifen und mir ihre Impressionen zu erzählen, über die ich in den Blogartikeln schreiben will. Tatsächlich folgen sie ihren eigenen Ideen, was bislang kaum zum gewünschten Resultat führt.
Bitte bringt mir interessante aktuelle Kulturtipps aus Berlin für den Sommer, lautete beispielsweise kürzlich ihr Auftrag. Einige Tage hörte ich keinen Ton von ihnen, dann kam eine kurze Nachricht: „Sind auf Rechercheflug. Melden uns sobald als möglich. Grüße von CPB“ Prima, das läuft, dachte ich. Gespannt wartete ich auf die Ergebnisse. Die fielen aber einmal mehr wenig überzeugend aus. Hatte ich mich missverständlich ausgedrückt? Hatten sie das Wort „Berlin“ überhört? Nahmen sie mich überhaupt ernst?
Pepina riet mir dringend zum Besuch in der New York Public Library. Danach solle ich im angrenzenden Bryant Park relaxen und den Sommer (in Berlin?) genießen.
Bella ließ mich wissen, man könne im Juli das Tanzbein schwingen – bei „On the fringes of the dancefloor“ im Museu d’Art Contemporani de Barcelona (MACBA). Entfernung nach Berlin: rund 2.000 Kilometer.
Chrissie hatte denn offenbar Mitleid mit mir und schob einen Tipp aus Berlin (!) nach: Der Frauensommer in der ‚Bar Jeder Vernunft’ sei wie immer hochkarätig besetzt, verkündete sie.
Am Montag werde ich eine Abmahnung rausschicken. Oder sollte ich noch einmal das Gespräch suchen? Eine Standpauke halten? Ach, ich hätte ahnen müssen, wie verdammt schwer, wenn nicht völlig unmöglich es ist, ein Team von Diven erfolgreich zu führen.
Last modified: 6. Juli 2019