…besteht aus mehr als 280 Zeichen.
Am Sonntag wollte ich einen Blogtext schreiben. Dann kam ein Buch dazwischen.
Wer gegen Menschen dunkler Hautfarbe hetzt, hat mutmaßlich nie ein Geschichtsbuch aufgeschlagen. Der amtierende US-Präsident liest nach eigenem Bekunden ohnehin kein Buch. Das würde ihm allerdings gut anstehen, um zu erkennen, wohin er sein Land treibt.
Pulitzer-Preisträger Colson Whitehead legte kein Geschichtsbuch vor, sondern zeichnet in seinem Roman Underground Railroad ein grausames Bild von einem der dunkelsten Kapitel Amerikas. Es ist gleichermaßen packend wie erschütternd zu lesen, wie Weiße mit ihrem „Eigentum Mensch“ verfuhren. Whiteheads mit dem National Book Award ausgezeichnetes Werk gehört ins Genre Belletristik. Fantasie ist es jedoch keineswegs, wie man in historischem Material nachlesen kann. Wenn man sich denn die Mühe machte, würde man die Schizophrenie erkennen, die hinter dem Hass auf Menschen dunkler Hautfarbe steht: Generationen zuvor entführten weiße Einwanderer sie um sie zu versklaven und ihr vermeintliches Eigentum auf jede erdenkliche Weise zu demütigen und zu quälen. Und nun, mehrere Generationen später, werden sie zu Personae non gratae gestempelt. Bleibt zu hoffen, am 20. Januar 2021 endet die Zeit, in der mittels 280 Zeichen regiert wird.
Underground Railroad, Colson Whitehead, Carl Hanser Verlag
Last modified: 30. September 2019