Lange suchte ich nach dem Buch aus meiner Jugendzeit, das mein Leben veränderte.
Es fällt mir leicht, mich von Dingen zu trennen. Wenn es die Situation erfordert oder ich das Gefühl habe, wieder einmal mein Leben vereinfachen zu müssen, miste ich aus. Taschen, Kleider, Schuhe, Geschirr, Möbel, auch von einem Haus trennte ich mich, als es mich einengte. Nur Bücher wegzugeben fällt mir schwer. Umso mehr trauere ich der riesigen mit Leder bezogenen Überseekiste nach, in der meine Kinder- und Jugendbücher jahrelang in einer Mansarde darauf warteten, von mir abgeholt zu werden, um ihr Kistendasein mit einem Platz im Bücherregal zu tauschen. Ich bin oft umgezogen in meinem Leben; die Kiste blieb jedoch im Mansardenzimmer meiner Eltern, bis diese sie samt Inhalt entsorgten. Dabei ging eines der wichtigsten Jugendbücher, nein, genau genommen DAS wichtigste Buch meiner Jugend verloren. Gelegentlich dachte ich in den vergangenen Jahrzehnten an die Geschichte des indischen Mädchens, dessen Name mir nicht mehr einfallen wollte. Obwohl ich auch vorher regelmäßig las, markiert diese Geschichte den Beginn meiner Leseleidenschaft, sie weckte meine Neugier an den Lebenswegen von Frauen.
Erwachsene lesen mit wachsender Begeisterung Jugendliteratur, las ich gestern. Was mich zu meinem vermissten indischen Mädchen führte. Also recherchierte ich einen halben Nachmittag lang, bis ich Andschana in einem Antiquariat fand und das Buch umgehend bestellte. Sobald das Päckchen geliefert wird, verjünge ich mich. Ich werde mich in eine schmökernde Elfjährige verwandeln, die in Andschanas Leben und Kultur eintaucht.
Last modified: 30. Januar 2020