Wie konnte es so weit kommen?

von Lifestyle

Die Pandemie ist definitiv nicht schuld daran, dass ich schlampig werde.

Yoga lasse eine schläfrige Schildkröte zu einer hellwachen Katze mutieren, hatte ich vor ein paar Jahren vollmundig auf Mein blauer Lippenstift behauptet. Wie konnte es dann dazu kommen, dass meine Yogamatte an inzwischen zu vielen Tagen brav in ihrer Hülle steckt, anstatt ausgerollt auf dem Boden zu liegen, ich obendrauf, in eine Übung vertieft? Ich bin schlampig geworden. Meine Disziplin hat arg gelitten. Und das Schlimmste daran: Ich kann niemand anderem als mir die Schuld geben für diese Nachlässigkeit, die sich in den letzten Wochen eingeschlichen hat.
An Ausreden mangelt es selbstverständlich nicht, weshalb ich am Morgen wie ein nasser Sack durch die Wohnung wanke, statt auf der Matte zu stehen, sitzen oder liegen. Es ist heiß im Zimmer. Stimmt, aber erst seit Beginn der Hundstage. Ich bin unausgeschlafen, weil es auch nachts nicht abkühlt. Siehe oben. Sobald ich den Wecker ausgeschaltet habe, lege ich mich wieder ins Kissen zurück. Was späteres Aufstehen zur Folge hat. Und dann bleibt keine Zeit mehr für die Yogaübungen. Weshalb funktioniert eine seit Jahren praktizierte Routine nur noch selten? Am einfachsten wäre es, auch diesen Schlendrian dem Virus zuzuschreiben. Was allerdings selbst diesem Mistkerlchen gegenüber einer Unverschämtheit gleich käme.
Nein, die Schuldige schreibt gerade diese Zeilen. Nur ich kann mich zurück auf den Weg, will sagen auf die Matte bringen. Am besten ab morgen. Oder lieber nach den Hundstagen? Wenn die Temperatur nachts wieder erträglicher ist und ich tiefer schlafen kann? Während ich diese meine Gedanken in die Tasten tippe, ertappe ich mich beim Schummeln.
Ab sofort muss Schluss sein mit den Ausflüchten. Warum suchte ich mir schließlich diese sanfte Sportart aus: Weil es für eine Yogini in Ordnung geht, je nach Tagesform und Verfassung zu üben. Es ist folglich okay, wenn ich morgen früh Energie genug zusammenkratze, um die Matte vom Schrank zu nehmen, aus ihrem Etui zu ziehen, ins Wohnzimmer zu schlurfen und dort auszurollen. Dann begebe ich mich langsam in die Kindstellung, verharre darin, höre auf meinen Atem und warte, bis sich mein Energiepegel spürbar nach oben bewegt.

https://www.nytimes.com/guides/well/beginner-yoga

Last modified: 13. August 2020

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