Courageous turtles

von Schreiben

Hindernisse sind dazu da, sie zu beseitigen. Die Geschichte einer Mädchenfreundschaft.

Greta und Carla. Ich habe eine Geschichte über zwei Freundinnen geschrieben. Über zwei Mädchen, die sich kennenlernen und Freundschaft schließen. Die sich nicht auf Anhieb sympathisch finden, jedoch später unzertrennlich sind. Was diese Verbindung so besonders macht: Greta und Carla sind Schildkröten. Sie leben in benachbarten Gärten, sind nur durch einen Zaun getrennt. Weil sie von ihren Unterhaltungen durch das Gitter schnell genug haben und viel lieber gemeinsam durchs Gras stapfen wollen, ersinnen sie Möglichkeiten, die Trennung zu überwinden.
Die Kurzgeschichte war schnell geschrieben, ich hatte sie ziemlich genau im Kopf, noch bevor ich mich an den Computer setzte. Als ich den vor ein paar Tagen verfassten Text heute las, um ihn zu überarbeiten, schweiften meine Gedanken vom Inhalt ab hin zur Absicht, die ich verfolgte, als ich über Greta und Carla schrieb.

Es handelt sich nicht um eine Kindergeschichte. Meine Versuche, Geschichten für Kinder zu erzählen liegen lange zurück. Als meine Tochter zum Kindergarten ging, las die Erzieherin der „Marienkäfergruppe“ meine Erzählungen über die Abenteuer von Knut, einem zotteligen Plüschbären vor. Ich hoffe, die Kleinen leiden nicht noch heute als Erwachsene unter der mäßigen Qualität meiner Ergüsse. Die Bärengeschichten verstauben in der Schublade, seit ich vor vielen Jahren ausschließlich als Journalistin zu arbeiten begann.

Wie erfolgreich Kindergeschichten bei Erwachsenen sein können (ich spreche von wirklich guten Büchern), zeigt nicht zuletzt der Harry Potter Hype. Doch ich hatte keineswegs vor, mich an Kindererzählungen für Erwachsene auszuprobieren. Die zwei Schildkrötenmädchen waren mir einfach in den Sinn gekommen (gekrochen?). Eine Freundschaft zu knüpfen, selbst wenn es keine realistische Chance gibt zueinanderzufinden, braucht eine unkonventionell agierende Persönlichkeit wie Pippi Langstrumpf, die nach einem cleveren Ausweg sucht. Pippi ist eine Kinder- und Jugendbuchfigur. Ich mag jedoch weder das eine noch das andere Genre bedienen, siehe oben.
Natürlich gibt es in der leichten populären Frauenliteratur jede Menge unkonventionelle Protagonistinnen. Aber auch diese Heldinnen auf High Heels (Alternativen: die couragierte Bäuerin, die Erbin des verarmten Industriellen, die Gründerin einer Seniorinnen-WG …) möchte ich nicht kennenlernen. Will sagen, ich wollte, will und werde nicht über sie schreiben.

Bleibt noch Fantasy, für die meine Vorstellungskraft vermutlich nicht annähernd ausreicht. Chapeau vor Erfolgsautoren dieses Genres! Nein, also auch keine Fantasygeschichte. Was dennoch nur bedingt stimmt. Die Girlfriends Greta und Carla sind zwar Schildkröten mit großer Vorliebe für gemächliche Spaziergänge auf der Wiese, stundenlanges Ausruhen und ausgiebige vegetarische Mahlzeiten. Ihre Aktionen, um in den Garten der Freundin gelangen zu können, sind indessen weit weg von jeder Realität. Oder hat man jemals von Schildkröten gehört, die sich von einem Maulwurf mit dem Namen Konrad einen unterirdischen Gang unter einem Zaun hindurch graben ließen, um der Freundin einen Besuch abstatten zu können? Oder von ihrem Freund, dem Sperling, der sie in den Garten nebenan tragen möchte, aber die Unterstützung von zwei Meisen benötigt um die gewichtigen Mädchen transportieren zu können? Greta traut sich, Pitt, den hochnäsigen Kater von der anderen Straßenseite, zu fragen, ob er so höflich sein würde ihr zu helfen, in Carlas Garten zu gelangen. Pitt schreitet normalerweise erhobenen Hauptes an Greta vorbei durch sein Revier, zu dem auch ihr Garten gehört. Er huscht auf der einen Seite des Zaunes rein, auf der anderen Seite springt er leichtfüßig über den Zaun und pirscht noch schnell über Carlas Wiese auf der Suche nach einem Schmetterling oder anderen Leckerbissen. In meiner Geschichte entwickelt sich eine Freundschaft zwischen den dreien. Realität oder Fiktion?

Mein blauer Lippenstift ist kein Blog für Küchenpsychologie, wie ich bei einigen Beiträgen bereits betonte. Doch dieser Story muss ich in meiner laienhaften Psychodenke nachhängen. Ich möchte einen Sinn in meinem Text erkennen, wenn die oben genannten offensichtlichen Gründe ausfallen.
Wie würde ein Psychologe urteilen, wenn die Protagonistinnen beispielsweise einen tief hängenden Zweig mit Grashalmen an einer Blume festbinden, sich auf den Zweig setzen, die Grashalme durchhauen und auf diese Weise versuchen, sich über einen Zaun katapultieren zu lassen? Kinderstory, Fantasy, müde Bibi Blocksberg-Adaption? Und wie würden die Gedanken einer Schildkröte namens Carla interpretiert, die sich fragt, ob es möglich ist, als Passagier auf einer Drohne mitzufliegen zur Destination Nachbars Garten? Als Ausdruck der seelischen Not der Autorin, aus einer ungeliebten Lage zu entkommen, aus ihrem bisherigen Leben auszusteigen oder es zumindest zu verändern? Will sie Jugendträume auszugraben? Allerdings zählte Pilotin nie zu meinen Wunschberufen. Und weshalb eigentlich Schildkröten, die zwar sehr alt werden, doch weder besonders wendig, in keinem Fall aber schnell unterwegs sind?

Diese Art Gedanken führen bekanntlich zu keinem objektiven Ergebnis. Es wird, natürlich, weder eine Erklärung noch eine Diagnose geben. Noch nicht einmal die Meinung eines Psychologen. Ich gebe mich zufrieden mit der Geschichte über zwei Freundinnen, die neugierig und mutig versuchen ihre Lage zu verändern, die nicht aufgeben, bis sie (ja, die Geschichte geht gut aus) letztlich gemeinsam durchs Gras kriechen und sich schwesterlich die Salatblätter teilen. Daher ziehe ich meinen völlig individuellen Schluss: Greta und Carla sind coole Mädchen, wie ich sie mir im Leben wünsche. Junge, in mittleren Jahren und alte Mädchen, die gedanklich und tatsächlich aus den Konventionen ausbrechen, die die Gesellschaft ihnen aufzwingt. Die Probleme lösen, die ihren Plänen im Weg stehen: „Und dann katapultierten sie sich über den Zaun. Pitt, Konrad und die anderen Freunde staunten…“

Meine aktuelle Schreibstimmung: Nicht lange nachdenken. Einfach schreiben.
Der Lippenstift: „Pink in the Afternoon“ von Revlon        HKW_Website_ Icon Artikelende

 

Last modified: 20. Juli 2017

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