Technobass geht mir auf die Nerven. Außer am vergangenen Sonntag. Da war alles anders.
Sonntagnachmittag, das Küchenfenster stand weit offen. Draußen waberte die heiße Luft eines Sommertages Ende Mai. Und es dröhnten wieder einmal Bässe. Wir kennen das, seit wir geschätzte fünfhundert Meter Luftlinie entfernt von der Straße des 17.Juni wohnen, einer der beliebtesten Partymeilen Berlins. Dunkel, tief und heftig laut wummerte es zu uns rüber.
Normalerweise reagiere ich bei Technomusik nach einiger Zeit aggressiv. Meine Ohren mögen die dumpfen Töne nicht. Also Fenster zu und warten, bis die Party vorbei ist. Am Sonntag lauschte ich aber erleichtert der Kakofonie. Diese Party war eine enorm wichtige. Die Feiernden machten mir Mut. Die AfD hatte am Sonntag zur Demo aufgerufen. Unter dem Motto „Zukunft Deutschland“ erwartete die Rechtspartei 10.000 Teilnehmer. Nur rund die Hälfte rottete sich allerdings hinter Gauland, Storch und Meuthen zusammen. Fünfmal so viele, 25.000 Menschen demonstrierten jedoch dagegen. Gewerkschaften, Vereine und Musikclubs hatten dazu aufgerufen, der AfD die demokratische Stirn zu bieten. „Party gegen die braune Soße“, „Bass gegen Hass“, „Is doch ekelhAfD“: Die Schilder der Gegendemo ließen keinen Zweifel an der Meinung der Mehrheit.
Abends auf der Terrasse unseres Stammlokals um die Ecke trafen wir Bekannte, die eben erst nach einem Kurzurlaub in die Stadt zurückgekehrt waren und von der Demo nix mitbekommen hatten. Gemeinsam lauschten wir dem immer noch deutlich zu hörenden Wummern der Bässe. Unser Bekannter meinte, das sei ein wirklich angenehmes, gutes Geräusch. Diese Bemerkung erhält noch stärkeres Gewicht, wenn man weiß, dass der Mann passionierter Opernfan ist. Technoklänge gehören sonst nicht in seine Welt. Heftiges Kopfnicken bei allen am Tisch. Wie recht er hatte. Wir waren uns einig, wie dankbar wir der Partygemeinde sein konnten, dass sie auch für uns dem braunen Mob deutlich zeigten, was die allermeisten Bürger fühlen: Deutschland ist ein weltoffenes, multikulturelles Land, in dem kein Platz für Ewiggestrige, für Populisten mit fremdenfeindlicher Gesinnung und deren Mitläufer, für Verschwörungstheoretiker und Rassisten ist.
Manchmal muss Wummern einfach sein. Für die Demokratie.
Apropos „Zukunft Deutschland“: In der Zukunft Deutschlands spielen diese Nazis, spielt die AfD hoffentlich überhaupt keine Rolle mehr.
Last modified: 30. Mai 2018