Der Kudamm strahlt unter der Weihnachtsbeleuchtung. Ich sollte mich freuen. Eigentlich.
Mein Text sollte heute fröhliche Stimmung transportieren. Ich wollte über den mit tausenden Lichtern weihnachtlich herausgeputzten Kurfürstendamm schreiben. Darüber, dass Berlin keine Schönheit ist, was sich auch am individuellen Street Style der Berlinerin zeigt, den die Verlegerin Angelika Taschen schon vor Jahren in Der Berliner Stil (Alexa von Heyden, Knesebeck Verlag) beschrieb. Ich wollte schwärmen, die Stadt sei jedoch für vier Wochen im Jahr schön, wenn sich im Advent der Kudamm in Schale wirft und zu einem glamourösen, eleganten, weltstädtischen Boulevard avanciert. Als die Beleuchtung vor drei Tagen zum ersten Mal in diesem Jahr angeschaltet wurde, hatte ich mich riesig gefreut und beschlossen, auf Mein blauer Lippenstift darüber zu schreiben.
Doch heute Morgen las ich Zeitung (das ist oldschool, ich weiß) und seitdem ist meine Laune um einige Stufen schlechter. Zwei Meldungen beschäftigen mich seitdem.
„In unseren Gesellschaften scheint es gar, dass Homosexualität eine Mode ist, und diese Mentalität beeinflusst auf gewisse Weise auch die Kirche“, sagte der Papst in einem Interview. Er befürchte, dass es homosexuelle Menschen im Klerus und in Priesterseminaren geben könnte. Dies sei eine sehr ernste Angelegenheit. Seiner Meinung nach sollten Menschen mit dieser „tief verwurzelten Tendenz“ nicht in Seminaren zugelassen werden.
Ich frage mich, ob der oberste Katholik nicht selbst der derzeit weltweit hochaktuellen Mode folgt, Minderheiten zu diskriminieren? Der einst gefeierte Hoffnungsträger auf dem Stuhl Petri scheint offenbar eine weitere Fehlbesetzung zu sein. Ihm ist nicht an der tatsächlichen Erneuerung seiner Kirche gelegen.
Die ‚Berliner Morgenpost’ zitiert in ihrer heutigen Ausgabe Friedrich Merz, Aspirant für den CDU-Vorsitz: „Die deutsche Einheit ist erst vollendet, wenn in der Bundesliga ein ostdeutscher Verein vor Bayern München steht.“ Für Männer ist der Fußball allgegenwärtig, es sei ihnen nachgesehen. Mancher Vergleich hinkt allerdings. Das Zitat halte ich schlicht für einen akuten Anfall von Sprechdurchfall. Manchmal wäre es klug, die Klappe zu halten, werte Herren Bergoglio und Merz!
Kritiker werden mich jetzt tadeln, die Beleuchtung des Kudamms sei ohnehin Energieverschwendung und somit als Blogbeitrag sinnlos. Ich erlaube mir eine eigene Interpretation: Als Mensch, der mit Beginn der dunklen Jahreszeit gegen depressive Stimmung kämpft, bin ich dankbar für die Lichter, die Kerzen, die Musik.
Frohe Adventszeit und Happy Chanukka, liebe Leser!
Last modified: 20. Dezember 2018