Die Autorin sitzt am Schreibtisch, denkt über ihren soeben geschriebenen Text, eine Redewendung, ein Wortsynonym, die Logik des Verhaltens einer Figur nach. Dabei knabbert sie an einer Möhre, nimmt zwischendurch ein Schlückchen aus einem Glas mit frisch gepresstem Vitaminsaft.
Anstelle dieses offenbar aus einem Gesundheitsratgeber abgeschriebenen Idylls spielt sich bei mir folgende täglich mehrmals wiederkehrende Szene ab: Ich stehe am Schreibtisch, drücke den Powerknopf des Computers, lasse ihn hochfahren. Anstatt mich hinzusetzen, gehe ich dann erst einmal in die Küche, um mir einen Kaffee zu kochen.
Schreiben und Kaffee trinken gehören für mich zusammen. Zwar konsumiere ich ihn nicht kannenweise, genehmige mir aber doch mehrere Becher pro Tag. Wer jetzt sofort an Drogen, Abhängigkeit oder zumindest an Genusssucht, auf jeden Fall aber an Gesundheitsgefährdung denkt, sollte diesen Blog wegklicken.
Meine Antwort darauf ist kurz: So what?
Es gibt viele gute Gründe für eine Tasse Kaffee.
Der Antidickmacher: Es ist ein schwaches Argument, doch wer es hören mag: Hundert Milliliter Kaffee haben gerade mal zwei Kalorien. Was bedeutet, die Kaffeetasse in der Hand sieht nicht nur weniger infantil aus, als das Koffein mit dem Strohhalm zu nuckeln. Sie ist auch besser fürs Gewicht als eine Cola.
(Un)gesund: Es gibt mindestens so viele Studien, die belegen, dass Kaffee der Gesundheit schadet, wie Studien, die das widerlegen. Ein paar Beispiele: Entzieht Kaffee dem Körper Flüssigkeit? Aktuelle Antwort der Forschung: nein. Regt das enthaltene Koffein die Verdauung an? Ja, dies scheint gesichert. Unterstützt Kaffee, Diabetes zu verhüten? Neueste Erkenntnisse bestätigen das. Macht Kaffeegenuss nervös? Trinkt man ihn stark und in großer Menge kann das eine innere Unruhe auslösen, so wissenschaftliche Untersuchungen. Bedeutet das gleichzeitig die Gefahr von hohem Blutdruck? Das ist bislang nicht erwiesen. Leidet man jedoch bereits unter starkem Hochdruck, kann das Koffein schädlich sein.
Es wären diverse weitere Gefahren und Risiken in Zusammenhang mit dem Konsum von Kaffee anzuführen. Auch wenn Mediziner keine eigenwilligen Patienten mögen: Ich nehme mir die Freiheit zu sagen, Kaffee zu trinken bleibt meine persönliche Glaubenssache.
Mit Bedacht: Kaffee trinkt man heiß, vorsichtig Schluck für Schluck. Damit ist er der ideale Bremser während des Tagesspurts. Einfach hinsetzen, durchatmen, an der Tasse nippen und genießen.
Apropos Spurt: Der amerikanische Lifestyle fasziniert uns alle. Die Ess- und Trinkkultur der Amerikaner dagegen halte ich schlicht für fragwürdig. Warum Coffee to go, den Becher mit der lauwarmen Brühe auf der Straße balancieren, wenn es doch viel angenehmer (und auch kultivierter) ist, für einen kurzen Abstecher ins Café, in eine Lounge oder Café Bar zu gehen. Man braucht sich nicht mal hinsetzen, sondern kann, wie es die Südeuropäer schon immer taten, an der Bar stehen, den kleinen Espresso rasch trinken oder einen zweiten nehmen und einen Plausch mit dem Thekennachbar halten.
Lifestyle vs. Genuss: Natürlich ist es reine Geschmacksache, auf welche Art man seinen Kaffee bevorzugt. Ich mag am liebsten die klassische Tasse Schwarzen mit einem Schuss warmer Milch. Nicht aufgeschäumt, keine Aromen, weder Sirup drübergeträufelt noch bunte Streusel obendrauf gestreut. Selbst die Verzierung mit Herzchen aus Schokopulver bringt mir keinen zusätzlichen Lustgewinn.
Zwei, die zusammengehören: Ich halte es nach dem Vorbild der Italiener, Franzosen und Österreicher: Neben meinem Kaffeebecher steht ein Glas Wasser.
Der muntere Kleine: Nicht zu verachten ist die Wirkung des Tässchens Espresso, wenn ich nach dem Abendessen noch mal an den Schreibtisch will. Bekanntermaßen wirkt das Koffein nach etwa dreißig Minuten und hält je nach Menge für Stunden an. Bevor die Gesundheitsfreaks sich jetzt wieder räuspern: Auf die anschließenden Gläser Wein zum wieder Runterkommen verzichte ich fast immer.
Pause einlegen: Nicht nur die Italiener tun es: Sie huschen tagsüber in die Bar an der Ecke, nehmen einen „Caffé“, wie sie den Espresso nennen, um danach gestärkt ins Alltagsgetümmel zurückzukehren. Diese Minipausen finde ich bei Städtereisen so wunderbar entschleunigend.
Pure Lust: Auch wenn ich kein bekennendes Schleckermaul bin, liebe ich es, zur Tasse Kaffee eine Praline oder einen Schokokeks zu naschen. Das ist potenzierter Genuss, die Glückshormone lassen mich schweben.
Meine aktuelle Schreibstimmung: Hatte ich von Pralinen gesprochen?
Der Lippenstift: „My Little Peony“ von Catrice
Last modified: 9. April 2017