bleibt trotzdem ein Schwein.
Im vergangenen Dezember schrieb ich einen Brief an den Weihnachtsmann. Leider wurde ich nicht erhört, hatte das Schreiben wohl zu spät abgeschickt, fehlerhaft adressiert oder der WeihnachtsMANN ist doch nicht so überparteilich, wie ich bisher dachte. Wie auch immer, meine Wünsche erfüllten sich nicht. Im Weißen Haus sitzt ein sexistischer und keineswegs ungefährlicher Clown im Oval Office, den man nur schwerlich vor Ablauf seiner Amtszeit wieder verjagen kann. „Es ist viel schlimmer gekommen, als wir befürchtet hatten“, bringt Jane Fonda die Situation nach knapp einem Jahr auf den Punkt. In Russland steht der mächtige kleine Mann schon in den Startlöchern, um sich erneut zum Präsidenten wählen zu lassen. Was bis dahin mit seiner weiblichen Konkurrentin geschehen wird, darf man gespannt und mit einiger Sorge verfolgen. Sibirien ist weit und still. Und die Geschehnisse in der Türkei verfolge ich mit einer Mischung aus Schrecken und Zorn. Die Großmannssucht dieser Herren in Anzug und Krawatte und ihren weltweiten Nachahmern ist kaum zu überbieten. Und sie hat Konsequenzen für uns Frauen. Den Begriff „Gleichberechtigung“ können diese Typen nicht einmal buchstabieren. Es ist höchste Zeit, ihnen die Stimme zu verweigern und ihnen die Macht wieder zu entziehen.
Weshalb vereinigt der Wunsch nach Gleichberechtigung, nach Selbstbestimmung nicht alle Frauen? Warum ermöglichen Frauen in unserer modernen, aufgeklärten Welt durch ihr Verhalten und ihre Weigerung solidarisch zu sein den Männern über ihr Leben, ihren Beruf, die Karriere zu bestimmen und sie bestenfalls als dekoratives Accessoire zu behandeln? Wie weit sind wir Frauen gekommen im Jahr 2017? Haben wir kapituliert? Nennen wir Frauen, die sich wehren und gegen die männliche Kraftprotzerei aufbegehren, mieslaunige Emanzen oder machtgierige Mannweiber? „Emanzipation und Freiheit können Angst machen. Selbst verantwortlich zu sein, ist schwierig. Es gibt, glaube ich, den sehr menschlichen Wunsch, die Verantwortung auf andere zu schieben. Unter Frauen hat es daher immer auch Anti-Feministinnen gegeben“ sagt dazu die Soziologin Marianne Schmidbaur.
Internationale Stars wie Beyoncé, Emma Watson oder Natalie Portman bekennen sich zum Feminismus. Aber: „Der Feminismus hat einen schlechten Ruf. Und zwar bei so ziemlich allen unter 30“, schreibt die Journalistin und Bloggerin Meredith Haaf. „Aufgeschlossene, tolerante junge Männer fühlen sich schnell angegriffen, erklärt man ihnen, dass sie von männlich dominierten Strukturen in der Wirtschaft und der Politik profitieren. Junge Frauen, die sich selbst als in jeder Hinsicht unabhängig bezeichnen, werden launisch, wenn die Rede auf Emanzipation kommt. (…) Dazu kommt, dass die feministische Szene in Deutschland auf viele Frauen wie eine geschlossene und nicht unbedingt tolerante Gesellschaft wirkt. (…) Zum anderen hält ein großer Teil der unter 30-jährigen Feminismus für überkommen und verkrampft. In den Medien sehen wir jeden Tag Frauen, denn gerade in Kultur und Gesellschaft sind diese überproportional präsent. Und wir denken: So schlimm kann es nicht sein.“
Bleibt also die Hoffnung, die Generation der Mütter und Tanten wird es richten, indem sie jungen Frauen die richtigen Signale liefert, indem sie die Diskussion weg von der tatsächlich überholten lila Latzhose und hin zu einer längst überfälligen zeitgemäßen Gleichberechtigung lenkt. In keiner anderen Epoche orientierten sich vor allem junge Menschen so stark an prominenten Vorbildern. Nicht nur Politikerinnen, Top Managerinnen und Wissenschaftlerinnen tragen die Verantwortung, ihnen Vorbild und damit aktive Unterstützerin zu sein. Auch der Lifestyle und die Meinung von anerkannten Künstlerinnen prägen die junge Frauengeneration wie nie zuvor. „Es hat 30 Jahre gedauert, bis ich das begriffen habe. Aber es ist okay, ein Spätzünder zu sein – lieber spät als nie“, bekennt Jane Fonda, die sich heute als Feministin bezeichnet.
Solche Statements geben mir Hoffnung. Ich bitte Dich also in diesem Jahr noch einmal, liebster Weihnachtsmann, allen Frauen die Erkenntnis zu bringen, solidarisch mit ihren Geschlechtsgenossinnen zu sein. Ihre Stimme nicht an Geld, Macht oder die Aussicht auf scheinbar unendlichen Luxus zu verkaufen. Es geht überhaupt nicht darum, gegen Männer zu kämpfen, sondern für einen fairen Umgang mit Frauen einzutreten. Und wer könnte das besser als wir Frauen selbst?
Meine aktuelle Schreibstimmung: Feministin und Lippenstiftträgerin? Wer noch immer meint, das sei ein Widerspruch, kann nur ein Mann sein.
Der Lippenstift: „Ruby Red“ von Michael Kors
Last modified: 21. Dezember 2017