Zucker aus der Ernährung zu streichen regt die Fantasie an.
Aus mehreren Gründen verzichte ich seit ein paar Monaten auf Zucker. Nicht auf die „guten“ Zuckerarten wie Fructose und Laktose, ich esse weiterhin Obst und trinke Milchkaffee, meide jedoch so konsequent wie möglich den weißen Rohr- und Rübenzucker, die Saccharose. Beschäftigt man sich mit diesem schon seit Jahren aktuellen Thema des versteckten Zuckers vor allem in industriell hergestellten Lebensmitteln, wird klar, wie Hersteller und Pharmakonzerne Hand in Hand arbeiten. Die einen mischen in jedes Produkt weißen Zucker, während die anderen an Medikamenten gegen Diabetes Typ 2 verdienen, an dem immer mehr jüngere Menschen erkranken. Außer grünem Salat ohne Dressing und Mineralwasser muss man zumindest allem misstrauen, was im Supermarkt angeboten wird. Das ist zugegebenermaßen drastisch formuliert, aber eben auch nicht besonders übertrieben. Für mich lohnte es sich jedenfalls, eine neue Küchenwaage anzuschaffen, die Liste der zuckerhaltigen wie zuckerfreien Lebensmittel in Griffnähe zu halten und beim Einkaufen die Lesebrille aufzusetzen. Ein kleiner, wenn auch hochwillkommener Nebeneffekt meiner Bemühungen: eine Kleidergröße weniger in drei Monaten.
Das Thema Ernährung ist bei kompetenten Autoren besser aufgehoben, auf Mein blauer Lippenstift wird es auch künftig keine nennenswerte Rolle spielen. Der Zuckerentzug brachte mich allerdings zum Nachdenken, wie wichtig mir Süßes tatsächlich ist. Kann ich darauf verzichten? Offensichtlich ja. Ist es möglich, weißen Zucker dauerhaft vom Speiseplan zu streichen, ihn zumindest weitgehend zu reduzieren? Auf jeden Fall, aber mit der Einschränkung, dass ich auf ein Glas Wein (oder zwei) nicht verzichten will und werde. Welchen Ersatz biete ich mir an? Gemeint ist hier nicht die Möhre anstatt der Gummibärchen oder die Selleriestange anstelle eines Stück Kuchens. In den vergangenen Wochen beobachtete ich mich auf der Suche nach Alternativen, die mich ebenso glücklich machen wie der Verzehr von Schokolade. Nein, nicht noch ein Glas Rotwein mehr, sondern kleine Tricks, die bislang prima funktionieren.
(Achtung: Diese Tipps bitte nicht bei akutem Heißhunger und unbändiger Lust auf Süßes ausprobieren!)
Bevor ich ins Café gehe, kaufe ich am Kiosk eine Zeitschrift, die ich noch nicht kenne oder für die ich selten Geld investiere, wie etwa internationale Lifestyle- oder Modemagazine.
Zur Tasse Kaffee bestelle ich keine Torte, sondern denke bewusst darüber nach, wohin ich gerne in Urlaub fahren würde.
Ich überschlage die monatlichen Ausgaben für Kuchen, Eis, Muffins, Pralinen etc. und bin erstaunt, wie viele CDs ich dafür kaufen könnte. Zum Beispiel garantiert zuckerfreien „Coffee & Jazz Time“ (Smoke City), „Coffee Time Jazz“ (Jazz Club) oder „Coffee Time“ (Albore Jazz).
Es mag schizophren klingen, doch inzwischen genieße ich den Anblick von Pralinen, während ich am Kaffee oder Chai Latte nippe. Bislang bleibt selbst dann die Heißhungerattacke aus.
Manchmal reicht es, das Verlangen nach Süßem mittels schnuppern zu stillen. Das bedeutet, es ist an der Zeit in einer Parfümerie ein paar Gourmetdüfte zu testen.
Sollte mich die Gier auf Zuckerhaltiges überfallen, bleibt mir die ohnehin liebste Ablenkungsstrategie: Ich schmökere, tauche in andere Welten oder Leben ein.
Das Café am Rande der Welt, John Strelecky, DTV Verlag
Café Augenblick, Annette Pehnt, Beltz Verlag
Milchschaumschläger, Moritz Netenjakob, KiWi Verlag
Das Café der Existenzialisten, Sarah Bakewell, C.H.Beck Verlag
Last modified: 24. März 2019