In einer Partnerschaft zu leben, bedeutet Kompromisse einzugehen. In aller Regel vor allem von der Frau.
Über eine Passage in Michelle Obamas Biografie Becoming: Meine Geschichte (Goldmann Verlag) denke ich seit Tagen nach. Die Situation: Barack Obama stand am Anfang seiner politischen Karriere. Er pendelte zwischen Chicago, dem Wohnort der Familie und Springfield, wo er im Senat von Illinois saß, während seine Frau die klassische Rolle einer voll berufstätigen Mutter mit Haushalt und zwei Kindern lebte. Konflikte in der Partnerschaft waren folglich unausweichlich, Michelles Frust nahm stetig zu. Hilfe fand das Paar bei einem Eheberater. „Ich lernte glücklich zu sein, ohne das Barack seine Karriere in der Politik zugunsten eines Nine-to-Five-Jobs aufgeben musste“, kommentiert Michelle Obama das Ergebnis der Beratung.
„Das hier war mein Wendepunkt, der Moment der Selbstermächtigung“, schreibt sie. Änderungen in der Beziehung nahm hauptsächlich sie vor, ihr Ehemann habe sich spürbar um Besserung bemüht, indem er seine Kommunikationsdefizite erkannte. Interessant finde ich besonders ein Beispiel ihrer „Selbstermächtigung“: Sie entschloss sich, mehr für ihre Gesundheit zu tun und wieder regelmäßig ins Fitnessstudio zu gehen. „Das Problem konnte ich nun dank meiner wie immer so unfassbar freigiebigen Mutter beheben, die sich trotz ihres Vollzeitjobs bereiterklärte, an einigen Tagen der Woche im Morgengrauen, um Viertel vor fünf, zu mir zu kommen, damit ich mit einer Freundin bei (…) trainieren und meine Töchter trotzdem um halb sieben für den Tag fertig machen konnte.“
Das klingt für mich nach einer sehr einseitigen Lösung eines Paarproblems. Michelle Obama wertet dies allerdings anders: „Diese neue Routine änderte alles: Ruhe und Kraft, zwei Aspekte, die ich in meinem Leben vermisst hatte, waren nun wieder eingekehrt.“
So großartig und bewundernswert ich diese Frau finde, so zweifelhaft empfinde ich den genannten Kompromiss, der zugunsten des abwesenden Partners ausfällt. Wir Frauen scheinen uns nach wie vor lieber selbst zu beschwichtigen und uns einzureden, dass wahre Liebe nun mal davon lebt, sich nicht so wichtig zu nehmen.
Last modified: 24. Februar 2019