Weshalb soll ich quer durch die Stadt fahren, wenn ich Spaghetti essen will?
Seit ich in Berlin lebe, schütteln ein paar Leute aus meinem Bekanntenkreis den Kopf über mein Verhalten. Weder verstehen sie meine Abneigung, für ein Kilo Brot in die U-Bahn zu steigen, um es in einem anderen Bezirk in DEM Laden zu kaufen, wo man (wer immer MAN sein mag) als Berliner eben Brot kauft. Vergeblich hoffe ich auf Verständnis, wenn ich in meinem Stammlokal die Straße runter zu Abend esse, statt eine halbe Stunde lang mit dem Bus Richtung Kreuzberg zu zuckeln, weil es dort die aller-aller-besten Pasta der ganzen Hauptstadt gibt. Und zum Schreiben und Lesen sitze ich in der unmittelbaren Umgebung meiner Wohnung in einem der Cafés, obwohl ständig neue Hotspots eröffnen, die ich, erneut ungläubiges Kopfschütteln bei gesagten Bekannten, natürlich nie kennenlerne.
Ich bin eine Langweilerin, die ihren Kiez gefunden und lieb gewonnen hat. Wenn ich hier statt den aller-aller-besten nur beste Nudelgerichte finde, so shoot me. Unerwartet fand ich jedoch jetzt eine Schwester im Geiste in Michaela Karls Biografie über die Journalistin und Schriftstellerin Maeve Brennan (1917-1993). Darin schreibt Karl zu Brennans Leben in New York: „Ihr Radius bleibt beschränkt. […] Nie hat sie wie andere den Drang verspürt, die Stadt bis in den letzten Winkel zu erkunden. Ihre Heimat bleibt für immer die Gegend zwischen Times Square und Greenwich Village.“
Wir Schreiber mögen seltsame Wesen sein. Doch wir schätzen es, wenn unsere meist harmlosen Spleens nicht ständig kritisiert werden.
»Ich würde so etwas nie ohne Lippenstift lesen.«, Michaela Karl, Hoffmann und Campe Verlag
Last modified: 11. Februar 2020