Über den heutigen Tag hinaus plane ich nicht mehr.
In meinem Kopf wurde eine mehrspurige Autobahn gebaut. Das ist lange her und mir bestens vertraut. Selten denke ich nur einen Gedanken. Fast immer herrscht auf mehreren Spuren gleichzeitig Verkehr. Vor allem Frauen dürfte diese Art des Denkens bekannt sein. Wir sind mit einer Tätigkeit beschäftigt und sinnen dabei über eine andere, später anstehende Aufgabe nach. Während des Zähneputzens überlege ich, welche Arbeiten und Termine heute anstehen. Daneben versuchen Themen sich Platz zu verschaffen, die erst in einigen Tagen, Wochen oder im nächsten Frühling aktuell werden. Manchmal hilft dann nur ein Time-out mittels Yogaübung, um Ordnung in das Durcheinander zu bringen.
Was morgen sein wird, wissen wir nicht, seit wir in der Ära C. leben. Klar kann ich mir vornehmen, morgen Blumen zu kaufen, die Wohnung zu saugen oder Rechnungen zu bezahlen. Der „kleine“ Alltag geht inzwischen fast wieder seinen gewohnten Gang. Aber wird selbst dieser Alltag eventuell durch einen erneuten Lockdown ausgehebelt? Sollen wir berufliche und private Reisen planen oder besser noch abwarten? Wie können wir uns auf eine Zeit nach C. einstellen, wenn wir keine Ahnung haben, wann diese Zeit beginnt? Überhaupt die Zeit nach C.: Sie wird nicht mehr vergleichbar sein mit dem Leben, wie wir es vor der Pandemie kannten. Darin sind sich Zukunftsforscher wie Matthias Horx oder Philosophen wie Richard David Precht einig.
„Es gab wohl nie eine Zeit, die uns radikaler dazu gezwungen hat, im Moment zu leben“, sagte eine Bekannte vor ein paar Tagen. Als Schriftstellerin kennt sie den Lärm der Hochgeschwindigkeitsautobahn im Kopf ganz genau. Und doch werden wir von C. nicht aufgefordert, sondern geradezu genötigt, sämtliche Spuren zu sperren, die nicht ins „Jetzt und Heute“ führen.
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Last modified: 8. Juli 2020