Bewusst eingesetzte Mimik hebt die Stimmung. Ich habe es ausprobiert. Es funktioniert.
„Wenn du weiterhin so böse guckst, wirst du Falten bekommen. Und Falten sind hässlich“, sagte meine Oma, wenn ich wieder einmal mit finsterem Blick durch die Wohnung tappte. Ob Falten tatsächlich hässlich sind, sei dahingestellt. Das liegt im Auge des Betrachters. Heute weist mich nicht mehr die Oma auf meine bisweilen in Richtung Erdboden zeigenden Mundwinkel hin. Ich ertappe mich selbst dabei, wie sich mein Blick zunehmend verfinstert, wenn ich Nachrichten gehört, gesehen oder gelesen habe. Meine Gedanken bleiben bei den News hängen und ziehen Stimmung und Mundwinkel nach unten.
Manchmal hilft mir nur noch die totale Nachrichtenverweigerung. Die Lösung brachte mir ein Test, den ich vor einiger Zeit startete: Wenn ich morgens meine Yogamatte ausrolle, läuft in der Wohnung das Radio, ich höre die ersten Nachrichten des eben begonnenen Tages. Bevor ich mit den Übungen beginne, schalte ich das Radio aus, doch die Nachrichten wabern weiter durch meinen Kopf. Der Test ist so einfach wie effektiv: Ich nehme die Kind-Stellung ein und ziehe die Mundwinkel nach oben, während ich meinen Atem beobachte. Bereits nach wenigen Atemzügen konzentrieren sich die Gedanken nur noch auf den Rhythmus des Ein- und Ausatmens. Es mag unvorstellbar klingen, aber das Grübeln hört auf, das bewusste Schmunzeln scheint Muskeln und Nervenbahnen zu aktivieren und die Ausschüttung von Hormonen zu provozieren, die die Stimmung heben.
Vor diesem Experiment hätte ich diese simple Technik für esoterischen Schnickschnack gehalten. Es geht keineswegs darum, jederzeit mit breitem Grinsen im Gesicht durch die Gegend zu laufen, sondern vielmehr darum, bewusst freundlich zu schauen, um endloses Grübeln zu stoppen. „Think positive!“ in jeder Lebenslage war nie mein Motto. Andererseits: Wer mag schon Nasolabialfalten, die sich tief wie eine Schlucht ins Gesicht graben?
Last modified: 4. August 2019