Schreiben ist eine einsame Beschäftigung. Egal, ob man mit Kollegen Schreibtisch an Schreibtisch im Großraumbüro einer Redaktion arbeitet, sich im Café in eine ruhige Ecke setzt oder seine Zeit zu Hause im Bett mit dem Notebook auf den Knien verbringt.
Meine Gedanken und ich, mehr ist da nicht, wenn ich über einem Text brüte. Da ich freiberufliche Autorin bin, arbeite ich alleine, wenn auch nicht im Bett, sondern am Schreibtisch im Home Office, auf der Couch im Wohnzimmer oder am Küchentisch. Und manchmal auch in meinem Stammweinlokal mit portugiesischem Rosé im Glas, wenn ich unter Menschen sein mag. Niemals im Café oder Coffee Store, wobei ich als Kaffeetrinkerin den Grund dafür nicht weiß.
Warum schreibe ich?
Schreiben ist also eine einsame Sache, objektiv betrachtet. Nur ich und meine Gedanken, gleichgültig, wie viele Menschen um mich herum sind. Andererseits weit entfernt von der Einsamkeit, subjektiv gesehen. Denn in meiner Fantasie sind natürlich immer Menschen beteiligt an den Geschichten, die ich erzählen möchte. Dabei bin ich völlig frei in der Wahl meiner Gesellschaft.
Der Start meines neuen Blogs Mein blauer Lippenstift ist aufregend für mich. Lange dachte ich darüber nach, warum sich die „einsame Schreiberin“ dieses Projekt ausgesucht hat und künftig ohne journalistische Pflicht ihrer Fantasie freien Lauf lassen will. Und so war es an der Zeit, mich zu fragen, warum ich schreibe, weshalb schreiben die faszinierendste Beschäftigung ist, die ich mir vorstellen kann.
Weil niemand dem (sofort) widerspricht, was ich zu sagen habe. Andererseits führe ich in Gedanken völlig selbstverständlich einen Dialog, der nicht selten ebenso kontrovers ist, als wenn ich mich mit einer anderen Person unterhalten würde.
Schreiben hält mich entweder eng an der Realität oder führt mich in maximale Entfernung zu ihr.
Schreiben bedeutet für mich Freiheit, ich brauche meine Texte niemandem zu zeigen.
Schreiben vermittelt mir das Gefühl etwas geschafft (oder geschaffen?) zu haben, etwas von Bestand herzustellen. Das gilt für die Zeit des Schreibens, solange der Text entsteht, die Gedanken fließen und Worte auf dem Bildschirm oder Papier produzieren. Das gilt leider nicht immer für die Zeit nach Beenden des Textes. Stolz bin ich nicht darauf, schon so viel publiziert zu haben. Doch das ist ein ganz anderes Problem, das eher in die Psychoanalyse gehört als hierher. Ich halte es für enorm wichtig, dass man als Schreibender nicht von dem Gefühl benebelt ist, etwas für die Menschheit zu tun, ohne das sie nicht existieren kann. Das kann und das wird sie nämlich. Im Grunde ist dieser Anspruch an mich die Voraussetzung nicht überheblich zu werden, sondern selbstbewusst genug die eigene Bedeutung realistisch einzuordnen.
Schreiben hilft mir dabei, zusammengetragene Fakten und Informationen, Meinungen von Experten oder Menschen ganz allgemein in einen sinnvollen Zusammenhang zu bringen.
Schreiben erlaubt es mir, meine eigene Sicht der Dinge einfließen zu lassen oder sie sogar in den Mittelpunkt zu stellen. Wie gesagt, es widerspricht erst jemand, wenn ich es ihm zum Lesen aushändige oder es veröffentliche. Das gilt für die Publikation auf Papier genauso wie im Internet. Die Entscheidung, meine Fakten, meine Meinung oder meine Gedanken mit anderen zu teilen, sie dem Urteil preiszugeben, ist ein bewusster Akt.
Schreiben gibt mir die wunderbare Möglichkeit, all meine Gedanken freizulassen aus dem Kopf, sie in einen neuen Aggregatzustand zu bringen. Dies ist für mich das Bedeutendste an der Tätigkeit, der ich seit so vielen Jahren meine Zeit widme.
Schreiben ist das Einzige, was ich mir vorstellen kann zu arbeiten. Es bindet meine Gedanken, meine Energie, zwingt mich dazu, mich verständlich auszudrücken, denn jeder schnell dahin geschriebene Satz schaut mich an, als wolle er mich auffordern über ihn noch einmal nachzudenken, bevor ich gedanklich weitergehe.
Schreiben gibt mir die Freiheit, zu allem etwas zu sagen, das ich für interessant, für wichtig halte. Es bietet dem einsamen Arbeiter folglich Gesellschaft und gleichzeitig die Chance, die Gedanken, Ideen, Träume, Fragen in eine Ordnung zu bringen.
Meine aktuelle Schreibstimmung: Im Startmodus, gut gelaunt, neugierig auf alles, was kommt
Der Lippenstift: Helles, warmes Fuchsia 
Last modified: 12. April 2019
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