Story verzweifelt gesucht

von HKWs Pinnwand

Wieder einmal bin ich auf der Suche. Ich suche ein Thema, über das ich schreiben möchte, das mich interessiert, meine Neugier fesselt, von dem ich nicht mehr lassen kann, bis ich es zu Ende erzählt habe.
Wo steckst du also, du Thema für eine Geschichte, der ich folgen will? Bist du längst da und ich sehe dich nur (noch) nicht? Halte ich dich etwa bislang für zu belanglos, um aufgeschrieben zu werden? Und tue dir damit vielleicht unrecht, weil du ohne Allüren einfach wartest, dass ich endlich loslege? In diesem Fall entschuldige bitte meine miese Unterstellung!
Wo finde ich dich, liebe Geschichte? Oder, anders gefragt, woran erkenne ich dich, wenn ich dir begegne? Gib mir bitte den einen oder anderen kleinen Hinweis, wie du aussiehst, wie du riechst, wie du dich anhörst, dich anfühlst. Welchen Charakter hast du? Bist du eine gutmütige, schöne, liebliche Geschichte? Eine Alltagsstory, nicht besonders originell, weder gut noch böse, ohne nennenswerte Höhen und Tiefen, wie es der Alltag der meisten Menschen eben ist?

Du sollst nach vielen Jahren die erste Kurzgeschichte sein, die ich schreiben werde. Deshalb musst du mir weiterhelfen. Lass mich nicht im Regen stehen (oder ist es vielleicht eher Nebel?).
Mein Problem mit dir ist es, in Schwung zu kommen, überhaupt ernsthaft und dauerhaft zu beginnen über dich nachzudenken. Alles andere, selbst die banalste Nebensächlichkeit, ist offenbar wichtiger, als deinen Anfang in den Laptop zu tippen. Das ist feige, ich bin mir dessen bewusst. Wenn mir gar kein anderer Ablenkungsgrund mehr einfällt, rufe ich E-Mails ab oder lese im Internet die aktuellen News. Ich vertrödle wertvolle Zeit, die wir beide, du, liebe Geschichte und ich miteinander verbringen sollten. Asche über mein Haupt sage ich laut und mit Nachhall. Dabei leide ich keineswegs unter einer Schreibblockade, glücklicherweise.

„Oh Mann“, höre ich dich stöhnen. „Erzähl mir mal was Neues. Diese Tricks haben doch alle Schreiberlinge drauf. Okay, nicht die Lehrer, die sich zum Schreiben berufen fühlen. Und ganz sicher nicht die Germanisten unter ihnen. Nimm dir ein Beispiel an diesen Menschen, diesen vorbildhaften Bildungsbürgern.“
Du bist eine böse Geschichte! Hast zwar recht, doch wer will denn ein stets kommasicherer, verbildeter Pädagogentyp sein? Wenn du mit dem eher klarkommst, dich in diesem Bildungsniveau besser aufgehoben fühlst, nur zu. Lass mich im Stich, wende dich ab, zeig mir die kalte Schulter.

Schnitt.
Ich habe mich entschieden, dir heute einige Angebote bezüglich deines Inhaltes zu unterbreiten. Klingt doch schon mal vielversprechend, oder? Am liebsten würde ich von Georgina erzählen, einer extravaganten Autorin. Allerdings fürchte ich, diese Geschichte würde zu viele autobiografische Anteile enthalten und damit die potenziellen Leser ermüden. Mein Leben ist nun wirklich nicht interessant genug um andere damit zu fesseln. Georgina muss also noch warten. Ich hoffe, sie stößt eines Tages zu uns.
Worüber will sie stattdessen erzählen, wirst du dich jetzt fragen. Im Grunde möchte ich über Alltägliches schreiben, meine Gedanken zu den kleinen Dingen, den schrägen und doch so normalen Gegebenheiten notieren. Scheinbare Nebensächlichkeiten aufgreifen, darüber sinnieren.
Das ist dir wahrscheinlich viel zu banal. Doch muss es immer der hohe literarische Anspruch sein oder, als akzeptable Alternative, der informative Fachtext? Wie langweilig, erwidere ich. Letzteren schrieb ich lange Jahre, bis ich mich einigermaßen „leer geschrieben“ fühlte. Das ist übrigens einer der Gründe, weshalb ich jetzt nicht mutig auf dich zuzugehen vermag. Ich fürchte noch immer, dir kaum gewachsen zu sein. „Ja, bleib bei deinen Fachtexten“, höre ich dich Augen rollend raunen. Aber da ist die große Sehnsucht nach freiem Schreiben, nach Texten fern jeder sachlichen Logik. „Dann wird’s wohl kein Krimi werden“, stellst du sehr richtig fest. Hatte ich auch nie behauptet, dass ich über Lust und Können verfüge, einen Thriller zu verfassen.
Gut, das scheint dann ja geklärt zwischen uns …

Schnitt.
Ich weiß, ich bin noch keinen Deut weitergekommen. Du wartest noch immer auf meine angekündigten Inhalte. Unter alltäglichen Stories, wie sie das Leben bietet, kannst du dir sowieso nix vorstellen. Ich soll konkreter werden, meinst du? Okay. Wie wäre es mit Assoziationen und Gedanken zu unterschiedlichen Begriffen, quasi als Aufwärmübung? Oder mit Kunstwortschöpfungen? Beginnen könnte ich zum Beispiel mit dem Wort Wohnraumverunschönerung. Wieso ist das ein Widerspruch? Wohnräume kann man zwar verschönern. Man kann sie jedoch auch bewusst und gezielt verunschönern.

Ha, jetzt hab ich dich. Du hängst an der Angel, willst mehr dazu wissen.
Dann soll das meine erste Geschichte sein:
Die Wohnraumverunschönerung oder Wie es ungemütlich wurde
Was hältst du von folgendem Einstieg:

Allgemein geht man davon aus, Wohnräume werden wohnlich gestaltet. Wohnlich meint vor allem gemütlich, behaglich, anheimelnd. Seltener sind Wohnräume in erster Linie repräsentativ, dienen dem Image derer, die sie bewohnen. Vielmehr handelt es sich um einen Raum, in dem ich mich aufgehoben fühle, wo ich mich gerne aufhalte. Selbst wenn es sich nur um ein Gästebad handelt, gilt dieser Anspruch, wenn eben jenes Gästebad Teil meines Zuhauses ist.
Unabhängig der Tatsache, dass jeder Mensch eine individuelle Vorstellung davon hat, was er als behaglich empfindet, wird er seine Wohnung als schön ansehen. Für das Attribut schön, ebenso für Worte wie behaglich, wohnlich, gemütlich etc., etc. gilt die gleiche Regel: Es bleibt dem höchstpersönlichen Geschmack des Einzelnen überlassen, seine Wohnung mit diesen Begriffen zu bezeichnen. Hier soll es also keinesfalls um die Diskussion über Stil, Stilempfinden, guten Geschmack (wenn es ihn denn tatsächlich und objektiv geben sollte) gehen, sondern einzig darum, wie es gelingt, einen Raum zu verunschönern.

Die Wohnraumverunschönerung hängt üblicherweise von zwei Faktoren ab: Vom Aufwand, einen Raum zu verändern, um ihn vorgeblich zu verschönern. Und zudem von der damit verbundenen Wirkung, den Raum um seinen ursprünglichen, ihm eigenen Charakter beraubt zu haben. So geht die Wohnraumverunschönerung letztlich unweigerlich mit dem Effekt eines seelenlosen Raumes einher.

Meine aktuelle Schreibstimmung: Geschärfte Sinne.
Der Lippenstift: „Best Choice“ von BeYu        HKW_Website_ Icon Artikelende

 

Last modified: 11. Januar 2017

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