Tattoos im Gehirn

von Schreiben

Manche Sätze aus der Kindheit haften für immer.

„Schreib ordentlich.“ Die Ermahnung meiner Oma, die meine Hausaufgaben während der ersten Schuljahre überwachte, werde ich nie vergessen. Wie präsent diese zwei Worte Jahrzehnte später noch sind, merke ich, wenn ich früh morgens meine Gedanken zum kommenden Tag aufschreibe. Mit Block und Stift sitze ich am Tisch und notiere alles, was kurz nach dem Aufstehen über meine Gedankenautobahn flitzt. Nichts wird zensiert, wirklich jede noch so abwegige Idee, Negatives wie Positives, Träume oder Wünsche kommen aufs Papier. Selbst anstehende Hausarbeiten finden sich auf diesen Seiten wieder, zumindest wenn sie mir wieder mal lästig sind. Sobald etwas niedergeschrieben ist, grüble ich nicht weiter darüber nach. Meine Oma, obwohl vor vielen Jahren verstorben, scheint ebenfalls jeden Morgen zeitig aus den Federn zu steigen, um mir auf die Finger zu schauen. Sitzt der Punkt über dem i? Male ich womöglich immer noch gerne den Kreis von a und o aus? Stehen die Wörter überhaupt sauber in einer Linie? Ich schreibe schnell und unachtsam. Sobald ich aber den Text anschaue, fühle ich mich wie die Zweitklässerin, von der Oma mit einem Kopfschütteln getadelt, um mich noch einmal von vorne beginnen zu lassen.

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Last modified: 28. Januar 2021

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