Seit Tagen lese ich ein fesselndes Buch. Da treffe ich im Bookstore Coffeehouse überraschend auf eine zentrale Figur der Geschichte.
Vor ein paar Tagen saß ich in der Caféecke eines Buchladens. Als ich an der Theke einen Regular Coffee bestelle, schaue ich den Mitarbeiter an, krame Scheine und Münzen aus dem Geldbeutel, reiche sie dem jungen Mann und weiß plötzlich, wen ich vor mir sehe: Da steht Joey, den ich aus Three-Martini Lunch kenne. Er nimmt mein Geld entgegen, lächelt mir freundlich zu und dreht sich zur Kaffeemaschine um. Ich gehe zurück zu meinem Platz und warte bis er meinen Namen ruft, um mir mitzuteilen, mein Kaffee stehe auf der Theke für mich bereit. Die zweite Überraschung innerhalb weniger Minuten nehme ich nur am Rande wahr. In den Background aus Countrymusic ruft der junge Mann „Americano for Heide“, womit er meinen Namen korrekt ausspricht und mich nicht „Heidi“ nennt, wie es die Amerikaner leider üblicherweise tun.
Ich hole meinen Kaffeebecher ab, setze mich wieder auf eines der Sofas am Kamin – und starre Joey an. Der in Wirklichkeit nicht Joey heißt, was mir zwar bewusst ist, was ich allerdings in diesem Augenblick völlig beiseite dränge. Schließlich befinde ich mich nicht an den Schauplätzen der Geschichte in New York City, San Francisco oder Washington D.C., sondern in einer kleinen Stadt in New Mexico.
Niemals zuvor traf ich eine Buchfigur „persönlich“, tauchte ich so tief in einen Roman ein. Es sind die Tage nach dem Ende des Autorencamps. Ich bin offenbar nach wie vor im Intensivmodus. Schreiben und Lesen haben einen besonderen Stellenwert. Sie bestimmen den Tagesverlauf. Sightseeing oder Shoppingtouren bilden allenfalls das Randprogramm. Die von Suzanne Rindell erzählte Geschichte ist keine hohe Literatur, sondern ein Buch, das sich rasch lesen lässt, mich aber offensichtlich mitreißt. Es ist meine Lektüre während des Frühstücks und Abendessens im Hotel. Doch die Schlüsselcharaktere Eden, Miles, Cliff und auch Joey begleiten mich seit Tagen über die Mahlzeiten hinaus.
Auf ein Foto von Joey aus dem Bookstore Coffeehouse verzichtete ich, obwohl er sich vermutlich wie die meisten Amerikaner gerne für ein kurzes Shooting zur Verfügung gestellt hätte. Sollten Leser von Mein blauer Lippenstift sich entschließen, das Buch zu kaufen, will ich ihre Fantasie nicht blockieren, indem ich einer zentralen Figur ein Gesicht verleihe, das in meinem Kopf entstanden ist.
Three-Martini Lunch, Suzanne Rindell, Allison and Busby Verlag
Last modified: 10. November 2019