Zu früh gelächelt

von Allgemein

Menschenrechte gelten für Männer UND für Frauen.

Vor fünfundsiebzig Jahren verkündete die Generalversammlung der Vereinten Nationen die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte (AEMR). Dieses Dokument soll „den größtmöglichen Schutz aller Menschen im Hier und Jetzt gewährleisten“. Alle Menschen – das meint Männer UND Frauen – sind demgemäß gleich zu behandeln. Die AEMR ist rechtlich nicht bindend. In zahlreichen Staaten der Welt wurde sie ohnehin niemals oder nur teilweise umgesetzt. Vor allem westliche Länder, die sich dem Freiheitswillen ihres Volkes verpflichtet haben, halten sich an die 1948 einstimmig verabschiedete Resolution.
Inzwischen schreiben wir das Jahr 2022, die Gleichstellung der Geschlechter ist nahezu nirgendwo tatsächlich vollzogen. Stattdessen müssen polnische Frauen aufgrund einer Gesetzesänderung im vergangenen Jahr nun wieder ins Ausland reisen, um einen Schwangerschaftsabbruch vornehmen zu lassen. Ende Juni hebt der US Supreme Court voraussichtlich ein Urteil von 1973 auf, was die Frauenrechte auf den Stand der Fünfzigerjahre zurückwerfen wird. In der Türkei werden seit Jahren die Rechte der Frauen Schritt für Schritt beschnitten. Die Entwicklung in Afghanistan war mit der Machtübernahme durch die Taliban abzusehen, auch wenn die bärtigen Männer mit Kalaschnikow im Anschlag in die ihnen entgegengestreckten Mikrofone davon sprachen, Frauen und ihre Rechte respektieren zu wollen.
Als Frau der Generation Babyboomer profitierte ich von den politischen und gesellschaftlichen Errungenschaften der Frauen, die in den Sechziger- und Siebzigerjahren auf die Straße gingen, öffentlich ihre BHs verbrannten und dafür kämpften, Herrin ihres eigenen Körpers zu sein. Gerade einmal knapp fünfzig Jahre ist es her, dass Frauen in Deutschland per Gesetz Freiheiten zugestanden wurden, wie etwa einen Job ohne Einwilligung des Ehepartners anzunehmen oder bei einer Schwangerschaft über ihren eigenen Körper zu bestimmen. Inzwischen scheinen die Möglichkeiten der Frau grenzenlos, die errungenen Gesetze werden als selbstverständlich begriffen. Frauen sind Astrophysikerinnen, steuern schwere Lkws und brillieren als Anwältin. Das gleiche Gehalt für gleiche Arbeit beziehen sie allerdings nach wie vor in sehr wenigen Ländern, zu denen Deutschland im Übrigen nicht zählt. Über die Feministin in lila Latzhose lächeln junge Frauen heute. Ich bin diesen streitbaren, unbequemen Kämpferinnen für die Emanzipation dankbar. Sie haben mir, der Jüngeren, den Weg geebnet. Die Feministinnen von einst zu belächeln ist in den genannten demokratisch regierten Staaten bereits vorbei. Dort gehen Mädchen und Frauen wieder auf die Straße, um das Recht auf den eigenen Körper einzufordern. Ihren Geschlechtsgenossinnen, die unter dem Joch von Terroristen wie den Taliban leiden, bleibt derweil nur die Wahl, sich dem Diktat zu unterwerfen, wenn sie am Leben bleiben wollen.
https://medicamondiale.org/gewalt-gegen-frauen/aktuelles
https://www.un.org/depts/german/menschenrechte/aemr.pdf

Last modified: 2. Juni 2022

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